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Reha-Entfristung unbestritten – aber die Zeit drängt

Anhörung im Rechtsausschuss am 11.Septeber 2019 zur Novellierung der Rehabilitierungsgesetze

Für alle neun vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages geladenen Sachverständigen war klar: Die im Reha-Gesetzentwurf BMJV vorgesehene Entfristung bei allen drei Rehabilitierungsgesetzen ist zwingend erforderlich. Ansonsten aber ließen sie kaum ein gutes Wort an dem zur Diskussion stehenden Entwurf, der primär die Rehabilitierungschancen für Heimkinder der DDR verbessern sollte. Sie können nach bestehender Gesetzeslage nämlich kaum Hoffnung auf eine Rehabilitierung durch die zuständigen Gerichte haben, da die bisherige Anerkennungsquote bei lediglich ca. 10% liegt. Teilweise wurden die vorgesehenen Regelungen sogar als Verschlechterungen gegenüber der aktuellen Situation eingestuft. Gefordert wurde insbesondere auch die gesetzlich geregelte Möglichkeit einer mündlichen Anhörung in strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren, die sich bisher auf Akten stützten, in denen das Verfolgungsgeschehen selbstverständlich nicht zu finden ist. Gerade das aber sei bei der Urteilsfindung wesentlich, so der Sachverständige Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth, der sich bei dieser Einschätzung auf ein von ihm geführtes strafrechtliches Rehabilitierungsverfahren bezog. Wiederholt wiesen die Sachverständigen auf den Text der Bundesratsinitiative hin, aus dem sich ein tatsächlicher Fortschritt bei den Regelungen für Heimkinder ergeben würde. Insgesamt wurde gefordert, die rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften für Heimkinder eingehend zu überarbeiten und auch noch weitere Fallgruppen (u.a. verfolgte Schüler) in die Rehabilitierungsgesetzgebung aufzunehmen. Auf Nachfragen von Bundestagsabgeordneten verwies Dr. Wasmuth auf seinen bekannten umfassenden Reha-Gesetzentwurf-Dr.Wasmuth, in dem weitere Opfergruppen, so auch Vertreibungsopfer, berücksichtigt sind. Der Sachverständige Tom Sello, Aufarbeitungsbeauftragter des Landes Brandenburg, schlug deshalb vor, ein Gesetz zur Entfristung abzukoppeln von einem Gesetz zur Verbesserung der rehabilitierungsrechtlichen Vorschriften für verschiedene Opfergruppen, weil letzteres noch erheblichen Diskussionsbedarf und damit Zeitbedarf erfordern würde. Die Zeit für die Entfristung aber drängt, weil nach bisheriger Gesetzeslage die Antragsfrist für strafrechtliche, verwaltungsrechtliche und berufliche Rehabilitierungen am 31.12.2019 endet. Dieser Vorschlag deckt sich mit der Stellungnahme von HvL-BVdV.

Fazit: Trotz klarer Aussagen der Sachverständigen bleibt die Ungewissheit über eine rechtzeitige Entfristung, wobei jedoch interne Informationen aus den Abgeordnetenbüros darauf hinweisen, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte Entfristung der Rehabilitierungsgesetze kommen wird.

Die ausführlichen Unterlagen zur Anhörung:
Reha-Tagesordnung-Anhörung 11.09.19
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Diskussion in der Staatskanzlei

Das Treffen mit Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, am 7. März 2019 in der Staatskanzlei nutzte die Verfasserin, um auf die krassen Menschenrechtsverletzungen im Zuge der kommunistisch-stalinistischen Boden- und Wirtschaftsreform hinzuweisen und eine umfassende Rehabilitierung der Opfer zu fordern. Während den Opfern lediglich eine Vertreibungsrehabilitierung ohne materielle Folgeanspräche gewährt werde, würden sich die Bundesrepublik, aber auch das Land Sachsen-Anhalt als Hehlerstaat betätigen, und das Eigentum der Opfer nach wie vor meistbietend verkaufen. Alle an dem Gespräch teilnehmenden Opferverbände Sachsen-Anhalts forderten, die PMO-Mittel für Zwecke der Opfer einzusetzen, so u.a. für die Tätigkeit der Opferverbände und zur sozialen Unterstützung von mittellosen Opfern der SBZ/DDR-Diktatur.

2019 – Ein Gedenkjahr

2019 – ein ereignisträchtiges Jahr mit Anlässen zur Freude, aber auch zum Gedenken

30 Jahre Mauerfall und 70 Jahre Gründung der DDR bewegen besonders:

Die Gründung der DDR – als fortgesetzte Legalisierung des kommunistisch-stalinistischen Unrechts in der Sowjetischen Besetzungszone mit fortwirkendem Terror gegen Menschen, die sich nicht it dem sog. „demokratischen“ und „antifaschistischen“ Arbeiter- und Bauernstaat identifizieren wollten.

Der Mauerfall – als Ereignis, das Hoffnung weckte, dass nun Recht und Wahrheit siegen werden. Trotz des Glücks und der Freude über das wiedervereinigte Deutschland, die wiedervereinigten Familien, die offenen Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland und -Europa bleiben Trauer, Wut und Enttäuschung. Trauer über die zahlreichen Menschen, deren Leben zerstört wurde, Wut und Enttäuschung über den bis heute andauernden Kampf um eine ideologiebefreite Aufarbeitung und Würdigung der Opfer.

Die Würdigung der Opfer kann nur ergänzend durch Gedenkstätten mit lang anhaltender Wirkung erfolgen, sie sollte sich auch insbesondere in dem tätigen Einsatz unseres Staates für eine Wiedergutmachung zeigen, der sich an dem materiellen und immateriellen Schaden orientiert, den die Opfer erlitten haben. Die Situation ist eine andere: Zahlreiche Opfer streiten und kämpfen bis heute – 30 Jahre nach dem Mauerfall – vor Gericht um Rechtsprechung. Die Ignoranz von Gerichten und Gesellschaft stehen der Würdigung der Opfer diametral entgegen. Menschen, denen ihr ganzes Hab und Gut genommen wurde und deren Angehörige die Lagerhaft mit dem Leben bezahlt haben, wird beispielsweise von einem Mitglied der Treuhand/BVVG-Aufarbeitungskommission entgegengehalten, bei einer Rückgabe des Eigentums wäre ja neues Unrecht entstanden.

Welche Maßstäbe werden hier eigentlich angelegt?

 

Bodenmarkt, Landwirtschaft und NGO`s

Stimmen vom Deutschen Bauerntag 2017

Präsident Joachim Rukwied bei seiner Ansprache zum Thema Bodenmarkt :

„Was wir nicht wollen:

außerlandwirtschaftliche Investoren auf unseren Betrieben, sondern weiterhin eine familiengetragene Landwirtschaft

dass sich das Land einmischt, z.B. in Niedersachsen: Boden- und Pachtmarkt muss in bäuerlicher Hand bleiben mit Ausnahme des Anteilskaufs“

Gitta Connemann, MdB, stv. Vorsitzende der CDU/CSU Fraktion im Dt. Bundestages:

„… Ich habe den Eindruck, dass sie [gemeint sind NGO`s wie animal peace] auf dem Rücken der Landwirtschaft Spenden generieren.“

Ute Vogt, MdB, stv. Vorsitzende der SPD-Fraktion im Dt. Bundestages (Zitat WISO direkt 27/2016):

„So erhalten fünf Prozent der Betriebe ungefähr 39 Prozent der Subventionen. … Deshalb wollen wir 30 Prozent der Direktzahlungsprämie auf kleinere undmittlere Betriebe umverteilen.“

Dietmar Bartsch, MdB, Vors. der Fraktion Die Linke im Dt. Bundestag, zur Begründung der Skepsis gegenüber außerlandwirtschaftlichen Investoren:

„Die Nähe zum Boden, zum Eigentum ist sehr wichtig.“

Man kann doch nur staunen!

21.Bundeskongress in Magdeburg

Auf dem  diesjährige Bundeskongress der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, vom 28. bis 30. April 2017 in Magdeburg, wurde die vielfach noch immer fehlende Anerkennungen von  Geschädigten und deren Rehabilitierung gefordert. Beeindruckend war die Festrede von Marianne Birtler, vor Roland Jahn Leiterin der Bundeszentrale für die Stasi-Unterlagen, die im Hinblick auf Anpassungen an einen Unrechtsstaat davon sprach: „Wer sich nicht bewegt, spürt keine Ketten“. Die europäische Dimension der Aufarbeitung stellte Frau Dr. Neela Winckelmann ins Zentrum Ihrer eindringlichen und bewegenden Rede. Als Geschäftsführerin der Platform of European Memory and Conscience setzt sie sich ein für

einen Gedenktag für die Opfer aller Diktaturen

 – ein Vorhaben, das äußerst kontrovers diskutiert wird, weil die Akzeptanz der Opfer des Kommunismus wesentlich niedriger ist als die der Opfer des Nationalsozialismus. Den Opfern des Kommunismus wird zwar unter Beteiligung von nationalen Regierungsvertretern im Europaparlament am 23. August eines jeden  Jahres gedacht, dem Tag des Hitler-Stalin-Paktes im Jahr 1939, Frau Dr. Winckelmann wies aber in der Podiumsdiskussion darauf hin, dass bisher nie ein deutscher Vertreter an dem Gedenken teilgenommen hat – für das Auditorium wahrlich keine Überraschung. Damit schließt sich der Kreis: Obwohl Aufarbeitung und Wiedergutmachung staatlichen Unrechts zentrale Aufgaben von Politik und Gesellschaft sind – die Parteiprogramme behaupten dies zumindest- versagt die Politik in weiten Teilen der Aufarbeitung. Die Redebeiträge von Vertretern der Opferverbände machten das unermessliche Ausmaß des Unrechts und der vielfachen Menschrechtsverletzungen erst deutlich. Den Beitrag des HvL, der sich auch auf das Tagungsthema  „Erinnern und Zeichen setzen! Zeugnisse politischer Verfolgung und ihre Botschaft“  bezieht, finden Sie hier in Textform bzw. als Aufzeichnung des gesprochenen Wortes. Die gesamte Tagungsdokumentation   ist auf der Homepage der Aufarbeitungsbeauftragten des Landes Sachsen-Anhalt in Form von Audio-, Bild- und Schriftdokumenten sehr gut aufbereitet (https://aufarbeitung.sachsen-anhalt.de/service/bundeskongresse-in-sachsen-anhalt/).

Jahreshauptversammlung 2017

(c) HvL 2017 JHV 11.03.2017

(c) HvL 2017 JHV 11.03.2017

Prägend für die Jahreshauptversammlung 2017 war insbesondere das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte  vom 6. Juni 2016 in der Beschwerde Madaus gegen Deutschland:

Im Februar 2017 konnte aufgrund des positiven EGMR-Urteils die Wiederaufnahme des nationalen strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahrens vor dem Landgericht Dresden beantragt werden. Hierzu erklärte  der prozessführende Rechtsanwalt Dr. Johannes Wasmuth in einer Pressemitteilung vom 17. Februar 2017, dass wesentliche, neue rechtshistorische Erkenntnisse vorliegen, die den Vortrag weiter untermauern und dezidierte Antworten auf die bisherigen Einwendungen des Landgerichts Dresden geben.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Gertner stützt sich in seinem weiteren prozessualen Vorgehen ebenfalls auf das Urteil des EGMR: Nach  der Zurückweisung seiner Beschwerden durch das Bundesverfassunsgericht am 26. September 2016 hat er nach Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges ebenfalls bereits Beschwerde vor dem EGMR eingelegt, u.a. unter Bezugnahme auf das EGMR-Urteil im Fall Madaus.

(c) HvL 2017 JHV 11.03.2017

(c) HvL 2017 JHV 11.03.2017

Rechtsanwalt Dr. Christoph von Katte informierte über die Neuausrichtung der Diskussion über Windkraft auf ehemaligen BVVG-Flächen: Seit dem Urteil des Kammergerichts Berlin vom 21. Dezember 2016 geht es nicht mehr nur um die Abführung von 75% des Erlöses von Windkraftanlagen, sondern der BVVG wird  ein Rückkaufsrecht von Flächen eingeräumt, sobald auf diesen die Errichtung einer Windanlage rechtlich möglich ist. Hierzu ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs  abzuwarten.

Dr. Jörg Gerke stellte in seinem Vortrag insbesondere die Konzentration von Agrarland in den neuen Bundesländern, auch im Vergleich zu anderen postkommunistischen EU-Staaten im Zusammenhang mit land grabbing dar, insbesondere als Folge der verfehlten Wiedervereinigungspolitik im Agrarbereich, die die vorhandenen LPG-Strukturen zementierte, oftmals in Form unrechtmäßig umgewandelter Nachfolgegesellschaften. Wesentlich für die Wiedervereinigungspolitik gegen die grundgesetzlich geschützte Eigentumsgarantie ist die ausgeklügelte Einflussnahme der LPG-Kader. Diese Fehlentscheidung des Gesetzgebers für die Erhaltung unproduktiver, riesiger Agrarstrukturen ermöglichte erst die Entwicklung, gegen die heute der Gesetzgeber relativ machtlos entgegenzusteuern versucht, nämlich den Einkauf außerlandwirtschaftlicher sog. Investoren in große, aber offenbar wenig erfolgreiche LPG-Nachfolgebetriebe.

Sollten Sie als Leser dieses Beitrags und Nichtmitglied des HvL an den Vorträgen interessiert sein, wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des HvL in Salzgitter.

Erika Steinbach ist nicht die Einzige

Erika Steinbachs Austritt aus der CDU verbunden mit einem Verlassen ihres angestammten Platzes im Deutschen Bundestag in den Reihen von CDU/CSU spricht eine deutliche Sprache. Eine Abweichlerin? Nein, dafür gibt es zu viele Abgeordnete, die inhaltlich mit ihr übereinstimmen.

Man mag es kaum glauben, dass eine Politikerin, die mehr als 40 Jahre Mitglied der CDU war und sich für oft ungeliebte Themen stark gemacht hat, resigniert. Ihre wohl begründete Austrittserklärung vom 15. Januar 2017 macht diesen Schritt aber verständlich (http://www.erika-steinbach.de/).

Als Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen hat sich Erika Steinbach vehement eingesetzt für eine Aufarbeitung des Unrechts und der Verbrechen, die an Deutschen bei den Massenvertreibungen am Ende des 2.Weltkrieges begangen wurden. Ihr Ziel war es, dieses Anliegen in der Mitte der Gesellschaft zu verankern: Eine Mahnung gegen  Vertreibungen und Erinnerung an die Leistungen der Vertriebenen als wesentlichenTeil deutscher Geschichte.

Dies ist ihr mit ihrem Projekt „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gelungen, auch wenn dieses infolge politischer Einflussnahme, aber eben auch Unterstützung, nicht mehr allein den ursprünglichen Zweck erfüllt.

18. August 2016: Strafanzeige beim Generalbundesanwalt

Erstes Verfahren gegen Grenzschützen an den Außengrenzen des Ostblocks

Droht den tschechoslowakischen Grenzschützen Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt?

18. August 2016 – Die „Platform of European Memory and Conscience” (PEMC) stellt Strafanzeige beim Generalbundesanwalt „wegen der Ermordung von fünf deutschen Staatsangehörigen durch das kommunistische Regime in der Tschechoslowakei“ an der Außengrenze des damaligen Ostblocks. Den Opfern war die Flucht aus der DDR bis an die tschechoslowakische Grenze zu Österreich bzw. zur Bundesrepublik Deutschland gelungen, auf den letzten Metern aber wurden sie durch die Schüsse von Grenzsoldaten bzw. die Bisse von Grenzhunden so schwer verletzt, dass sie verstarben. Es ist das erste Verfahren gegen Grenzsoldaten an der Außengrenze des Ostblocks, bisherige Strafverfahren betrafen allein Mauerschützen an der innerdeutschen Grenze. Nach dem Fall des Eisernen Vorganges wurde zwar bereits in der Tschechoslowakei bzw. Slowakei gegen die verantwortlichen Grenzsoldaten Anklage erhoben, zu einer Verurteilung kam es aber in keinem Fall. Vielfach waren ehemalige Funktionsträger des kommunistischen Regimes an der Urteilsfindung beteiligt. Die Ermittlungen offenbarten, dass die verantwortlichen Grenzsoldaten sogar wegen ihres Verhaltens, nämlich „den vorbildlichen Schutz an der Grenze“ durch Kurzurlaub und Geschenke belobigt worden waren.

Erneut wird die brutale, grausame, menschenverachtende Haltung kommunistischer Regime ins Blickfeld gerückt durch die tragischen Todesfälle auf der Flucht:

Der Fall Richard Schlenz (erschossen am 27.08.1967)

Der Fall Gerhard Schmidt (erschossen am 06.08.1977)

Der Fall Kurt Hoffmeister (erschossen am 21.08.1977)

Der Fall Hartmut Tautz (von Hunden zerfleischt am 08.08.1986, verstorben am 09.08.1986)

Der Fall Johann Dick (erschossen am 18.09.1986)

Pressemitteilung der PEMC vom 25.08.2016_ Die Opfer und die Verantwortlichen